Brauchtum wird mit Füßen getreten
Chamerau. (hep) Zum wiederholten Mal haben Unbekannte bei den Totenbrettern sowie in der angrenzenden Böschung Hausmüll entsorgt. Dies mussten diese Woche Sepp Dobler und Rudi Altmann, beide Mitglieder des Trachtenvereins Chamerau, feststellen. Sie sind für die Pflege und Sauberkeit an der Totenbrettgruppe zuständig. Die beiden unterrichteten die Vorstandschaft.
Unter den Hinterlassenschaften an der Straße nach Gillisberg befanden sich Bierflaschen, Wasserflaschen, Blechdosen, einige (leere) Flachmänner, Plastikflaschen, -tüten und -becher sowie viele Zigarettenkippen. – Wissen diese Personen überhaupt, dass es sich bei dieser Anlage um einen Platz zur Erinnerung an verstorbene Vereinsmitglieder handelt? Scheinbar nicht, denn sonst würden sie ihre Hinterlassenschaften nicht dort ablegen, so der Tenor der Chamerauer Trachtenvereinsvorstandschaft nebst den Mitgliedern.
Tradition wird gepflegt
Totenbretter sind für unsere Gegend charakteristisch, das Aufstellen dieser Bretter ist ein alter Brauch. Als es früher noch keine Leichenhäuser gab, machte man mit dem Leichnam wenig Umstände. Man wickelte ihn nach alter Sitte in ein Leinentuch, nähte es zusammen und legte die Leiche auf ein Brett. Zwischen zwei Stühlen oder auf eine Bank gelegt, bahrte man den Leichnam bis zum Begräbnis in der Stube auf.
„Übers Brettl rutsch’n“ war einst die Redensart, mit dem man den Tod eines Mitbürgers verkündete, so erzählte Oskar Döring 1929 in einem alten Heimatkalender.
Erst um das Jahr 1800 wurden auf dem Land Särge bei Beerdigungen gebräuchlich. Längst gab es keinen Sarg für jeden Toten, sondern sogenannte „Ausschütttruhen“ – Särge, die im Eigentum der Kirche standen und für alle Bestattungen leihweise überlassen wurden. Am Grabe wurde der Deckel aufgeschlagen und die Leiche in das Grab „geschüttet“. Bei diesem „Ausschütten“ wurde ein Brett benutzt, auf dem man den Toten in die Grube rutschen ließ. Also in der Tat: Wer starb, rutschte „übers Brett’l“.
Das Totenbrett gab man früher, da die Leiche noch ohne Sarg in das Grab gelegt wurde, dem Verstorbenen mit in die Erde. Man legte es über den Leichnam, um ihn vor Verletzungen beim Einschaufeln zu schützen.
Später, als jeder Tote einen eigenen Sarg hatte, wurde das Totenbrett bei der Beerdigung überflüssig. Was sollte man damit anfangen? Heilige Scheu verbot, das Brett noch für irgendwelche häuslichen Zwecke zu nutzen. So kam man auf den Gedanken, das Totenbrett als Andenken aufzustellen. Mit drei Kreuzen zeichnete man es. An einem Weg, meistens einem Kirchweg, an einem Baum oder an Kapellen stellte man es auf.
Mit der Zeit wurden die Totenbretter kunstfertig ausgeführt, mit Leisten und Säulchen verziert und auf viele Arten zugeschnitten. Der Maler beschrieb es dann mit dem Namen und setzte darunter einen Vers.
In langen Reihen trifft man die Totenbretter an, ein, schönes Stück alten Brauchtums.
Wer tut sowas?
Die Vorstandschaft des Trachtenvereins griff nach dem letzten Umweltfrevel zum wiederholten Mal die Problematik der Zuwiderhandlungen an der Totenbrettgruppe auf. Zwar hilft es wenig, über die miserable Moral der Umweltsünder zu schimpfen und den Kopf ob der Dreistigkeit der Leute zu schütteln, die ihren eigenen Dreck auf Kosten der Allgemeinheit entsorgen und offenbar nicht mal ein schlechtes Gewissen dabei haben. Die Frage stellt sich aber schon, wes Geistes diese Menschen sind, die ihren Hausmüll an einem Ort, wo Erinnerungen an verstorbene und Brauchtumsarbeit gepflegt werden, abladen.