Der Große und der Kleine
Chamerau. Ehrenamtlich oder nicht ehrenamtlich, das ist hier die Frage. Auf die es keine eindeutige Antwort gibt, soviel gleich vorneweg. Im Landkreis Cham finden sich prominente Beispiele für beide Varianten.
Da gibt es zum Beispiel Neukirchen beim Heiligen Blut, am Fuße des Hohenbogens mit 3698 Einwohnern, das seit einigen Jahren Markus Müller ehrenamtlich führt. Und am anderen Ende der Skala findet sich Chamerau. Der Ort zählt 2602 Einwohner, leistet sich jedoch einen berufsmäßigen Bürgermeister.
"Die Gemeinde hat 1996 umgestellt", erklärt der Chamerauer Bürgermeister Stefan Baumgartner. Das war noch unter seinem Vorgänger. "Zu Zeiten der Kanalisierung", sagt er. Damals lautete die Begründung, so ein Mammutprojekt lasse sich nicht mehr nebenher mit 21 Wochenarbeitsstunden bewerkstelligen. "21 Stunden, die bring ich an einem Wochenende zusammen", vergleicht Baumgartner.
Alles selbst gemacht: vom Abwasser bis zum Friedhof
"Wir haben nichts an einen kommunalen Zweckverband ausgelagert", sagt Baumgartner. "Wir machen alles selbst: Friedhof, Abwasser, Kindergarten, Schule, Trinkwasserversorgung, Bauhof", zählt er auf. Alles in allem ist Baumgartner Chef für 30 Angestellte. "Das machst du nicht einfach nebenher." Deshalb leistet sich Chamerau eben einen hauptamtlichen Bürgermeister. Damit ist er Beamter auf Zeit. "Das koste die Gemeinde rund 30000 Euro im Jahr mehr", fügt er an. "Im Gegenzug hab ich die Stelle in der Verwaltung, auf der ich vorher war, nicht wieder besetzt", sagt Baumgartner. "Die mach' ich also auch noch mit." Und so hat Chamerau einen Bürgermeister, der ständig da ist und als Ansprechpartner greifbar. "Wir bauen in Lederdorn eine Ortsumgehung für 1,3 Millionen Euro, da gibt es fast täglich Anfragen an den Bürgermeister. Da tauchen so viele Überraschungen auf. Ja, wenn da der Bürgermeister nicht da wäre..."
"Wenn ich ned gscheid zoi, find i koi Leit"
Dabei will Baumgartner keinesfalls die Leistungen seiner ehrenamtlichen Kollegen schmälern. "Mir fallen sofort zehn ein, die Vollzeit arbeiten und trotzdem nach Ehrenamt bezahlt sind", sagt Baumgartner. Es müsse sich dann aber keiner wundern, wenn es immer mehr Gemeinden gibt, die keinen Bewerber mehr fürs Amt finden. "Dieser Trend wird sich verstärken", unkt Baumgartner. "Ja, wenn i koi Leit find, muass i den Beruf attraktiver Mocha, zum Beispiel besser bezahlen", fordert Baumgartner.
Nicht ohne Grund hat Arnbruck zum Beispiel in der letzten Sitzung des Jahres 2019 mit 10:5 Stimmen beschlossen, dass der im März zu wählende Bürgermeister wieder hauptamtlich für die Gemeinde tätig sein wird.
Und dann ist da noch ein Faktor, der ausschlaggebend ist: Es geht ja nicht nur um das Salär am Ende des Monats, sondern es steht für den Bürgermeister auch die Altersvorsorge im Feuer. Ein hauptamtlicher Bürgermeister erhält nach Beendigung seiner Dienstzeit eine Beamtenpension, die nicht die Gemeinde zahlt. Anders beim Ehrensold für Altbürgermeister. Der beträgt maximal - wenn dies der Gemeinderat absegnet - 787,83 Euro im Monat. "Wir haben derzeit drei - inklusive Witwen - in der Gemeinde, die Ehrensold erhalten", sagt Baumgartner. Zieht man also die finanzielle Lebensbilanz über einen Bürgermeister, kann sich die vermeintlich "günstigere" Variante eines Ehrenamtlers über die Jahre sogar ins Gegenteil verkehren.
Sonderfall Altersvorsorge in Neukirchen b. Hl. Blut
Das Thema Altersvorsorge hat Markus Müller, ehrenamtlicher Bürgermeister von Neukirchen beim Heiligen Blut, auch im Blick. "Ich kann schon verstehen, dass sich Kollegen darüber Gedanken machen", sagt er. "Aber um mich und meine Frau mach' ich mir keine Sorgen." Wie es dazu gekommen ist, dass er selbst nun ehrenamtlich tätig ist, obwohl er die zahlenmäßige größte Kommune der Oberpfalz leitet: "Wir hatten vorher einen ehemaligen Postbeamten als berufsmäßigen Bürgermeister, der, nachdem er länger als zehn Jahre im Amt war, natürlich Anspruch auf eine Beamtenpension hatte", holt Müller weit aus. Allerdings zogen sich sowohl der Bund als auch die Post, die es als Bundesbehörde nicht mehr gab, aus der Verantwortung. "Niemand wollte etwas wissen von Versorgungslastenteilung", erinnert sich Müller. Einzige Möglichkeit, der Gemeinde dauerhaft hohe Zahlungen zu ersparen, war der Wechsel auf ein ehrenamtlichen Bürgermeister. Der Antrag fand aber 2007 im Marktrat nicht die nötige Mehrheit. Ein neuerlicher Antrag ging im Dezember 2013 durch. Im März 2014 wurde Müller selbst Bürgermeister. Seitdem ist er in Amt und Würden - ehrenamtlich.
Und, er hat noch einen Job. Müller war und ist Geschäftsführer der Hohenbogenbahn. "Das ergänzt sich prima", findet er. Neukirchen beim Heiligen Blut lebt von und mit dem Tourismus, der Hohebogen sei das Pfund, mit dem man wuchere.
"Ein ehrenamtlicher Bürgermeister spart uns jährlich 50 000 Euro", verteidigt Müller seine Haltung. Natürlich sei der Arbeitsaufwand enorm. "Aber das ist eine Frage der Organisation", findet er. Egal ob am Berg oder im Rathaus, er sei stets beides: Geschäftsführer in Teilzeit und Bürgermeister im Ehrenamt. "Ich bin total zufrieden, mir geht nichts ab. Und auch wenn ich nicht am Schreibtisch sitze, bin ich in drei Minuten im Büro", sagt Müller. Dennoch weiß er, dass Neukirchen beim Heiligen Blut damit eine absolute Sonderstellung hat.
"Wenn ich auswärts arbeiten würde, ginge es sicher nicht", muss Müller eingestehen. "Wir führen einen der größten Bauhöfe", die Gemeinde ist riesig, hat mehrere Ortsteile und jährlich eine Viertelmillion Übernachtungen. Müller ist Chef für mehr als 30 Angestellte. So "nebenbei" geht da nix. Vor diesem Hintergrund kann er jeden verstehen, "der das berufsmäßig macht".
Die Rechtsstellung des Bürgermeisters
Wie es die Gemeinden mit ihrem Bürgermeister halten, steht ihnen frei. Zumindest in Kommunen bis 5 000 Einwohner. Darüber ist der Chef ohnehin Beamter auf Zeit, also berufsmäßiger Bürgermeister - außer die Gemeinde bestimmt per Satzung, dass er es ehrenamtlich machen soll.
Berufsmäßig als Bürgermeister bestellt sind laut Artikel 34 der Gemeindeordnung Oberbürgermeister in kreisfreien Gemeinden oder in Großen Kreisstädten.
Darunter, also bis 4 999 Bürger, ist der Gemeindechef meist ehrenamtlich, außer die Gemeinde bestimmt per Satzung einen berufsmäßigen Bürgermeister.
Satzungen zur Änderung des Status' sind spätestens 90 Tage vor dem Wahltag zu erlassen.