Eine der beiden Wieser-Kastanien ist nun Geschichte
Chamerau (hep) Es ist kein gutes Jahr für die Baumfreunde in Chamerau. Im Dezember mussten in der Bachstraße zwei mächtigen Weißtannen – gepflanzt vor gut 70 Jahren gefällt werden und jetzt erleidet eine der beiden Kastanien in der Kötztinger Straße das gleiche Schicksal. Der alte Baum, an den sich viele Erinnerungen der Prozessionsteilnehmer bei der Fronleichnamsfeier und zum Patrozinium, wo unter den mächtigen Kastanien ein Altar aufgebaut war, ist nun Geschichte. Eine Kastanie war früher der Ursprung jedes Biergartens. Weil die Buchenart schnell wächst, ihre großen, breiten Blätter viel Schatten spenden und der Baum außergewöhnlich flach wurzelt, wurden sie genutzt, um die Bierkeller optimal vor der heißen Sonne abzuschirmen. Kastanien können bis zu 30 Meter hoch und circa 300 Jahre alt werden. Bei älteren Exemplaren kann der Stammdurchmesser bis zu zwei Meter betragen. Als junge Pflanze hat die Rosskastanie einen enormen Jahreszuwachs von 45 bis 50 Zentimeter. Die Borke ist normalerweise braun und glatt, kann sich aber auch rötlich verfärben.
Nach heftigen Böen in der letzten Zeit lagen rund um den Baum zahllose Zweige am Boden, manchmal war sogar ein ganzer Ast abgebrochen: Dass Zweige brechen, war allein noch kein Grund zur Sorge, so ein Baumbeobachter. „Das ist die ganz normale Astreinigung. Es handelt sich in der Regel um tote Zweige, die der Baum nicht mehr braucht, oder auch mal um einen noch im Saft stehenden Ast, der ungünstig saß und daher abgerissen wurde.“ Doch schon ein herabstürzender Ast kann Schäden verursachen, für die der Baumbesitzer haften muss. Das ist immer dann der Fall, wenn Dritte zu Schaden kommen. Etwa, wenn ein Ast ein Fahrzeug beschädigt. Baumbesitzer sollten ihre Gewächse deshalb das gesamte Jahr über im Blick behalten, denn sie unterliegen der Verkehrssicherungspflicht.
Handlungsbedarf so der Baumbeobachter bestehe dann, wenn Risse im Erdreich rund um den Baum erkennbar sind oder der Wurzelteller an einer Stelle angehoben ist. Auch bei einem Baum, der deutlich schräger steht als zuvor, und bei Rissen im unteren Stammbereich sollten Baumbesitzer tätig werden, riet der Experte. Außerdem kann sichtbarer Pilzbefall ein Zeichen dafür sein, dass ein Baum nicht mehr sicher steht. Keine Hoffnung bestand für die Gemeinde, dass sich die Kastanie jemals wieder erholen würde. Im Gegenteil: In drei bis fünf Jahren wäre der Baum komplett abgestorben.
An vielen Stellen des mächtigen Stammes war die lebenswichtige Rinde großflächig abgestorben und abgeplatzt, ohne Probleme konnte man abgestorbene Rindenstücke mit der Hand vom Stamm brechen. Das bakterielle Rosskastanien-Sterben befällt Bäume jeglichen Alters. Das Bakterium Pseudomonas syringae pv. aesculi löst die Krankheit aus. Die Krankheit führte zum Absterben der Rinde des Baumes über Sekundärinfektionen unterschiedlicher Pilzarten bis zum Absterben des ganzen Baumes. Zudem sei die Versorgung der Wurzeln „offenbar massiv gestört“. Vermutlich 80 bis 90 Prozent der Feinwurzeln seien abgestorben.
Der Baum müsse gefällt werden, so der Baumexperte, obwohl er eigentlich sonst um den Erhalt alter Bäume kämpfe, müsse er wenige Male im Jahr auch ein solches Urteil mitteilen. Dem konnte Bürgermeister Stefan Baumgartner nur zustimmen. Dies sei aus Gründen der Sicherheit für die Menschen, aber auch für die umliegenden Gebäude notwendig. Die andere Kastanie ist augenscheinlich bisher nicht von der Pilzkrankheit betroffen. Die kranke Kastanie musste am letzten Februartag ziemlich zügig gefällt werden, denn von März bis Oktober ist das Fällen von Bäumen naturschutzrechtlich in aller Regel strikt verboten ist.
Bauhofleiter Christian Schmid deutet nach dem fällen des Baumes auf Stamm und Äste: Man muss kein Experte sein, um den Pilzbefall und die Schwächung des Baumes zu sehen. „Innerlich komplett faul“, lautet sein Urteil.