Eintauchen in die Geschichte
Das Sammeln von Ansichtskarten vom eigenen Ort kann für einen heimatverbundenen Menschen zu einer Fundgrube werden. Die historischen Fotos vermitteln nämlich in bester Weise die Entwicklung des Dorfes. Seien es die Veränderungen an Straßen, Gebäuden oder großflächige Aufforstungen von ehemals landwirtschaftlich genutzter Flächen – dies alles dokumentiert die Ansichtskarte. Heute werden sie kaum mehr nachgefragt und deshalb auch nicht mehr aufgelegt.
Ganz anders war es kurz vor dem Zweiten Weltkrieg, als „Annerl“ ihrer Freundin „Ilse“ mittels Ansichtskarte ihren beabsichtigten Besuch ankündigte. Die Vorderseite zeigt Chamerau, dessen zwei Ortsteile vom breiten Regenfluss getrennt sind. Fast in Bildmitte die Pfarrkirche „St. Peter und Paul“, dahinter das Gasthaus Barth als weiß leuchtendes Gebäude. Weiter gab es zu dieser Zeit noch die Wirtschaften Wieser, Lommer und Baumgartner. Auch der Pfarrhof am rechten Bildrand überragt die niedrigen Häuser vor ihm. An den beidseitigen Regenufern stehen noch wenige Anwesen, die regelmäßig vom Hochwasser betroffen waren. Das Foto entstand nach dem Bau der „Ostmarkstraße“, (1932 bis 1934), jetzt Bundesstraße 85, die mit ihren weißen Straßenbegrenzungssteinen deutlich vor dem bewaldeten Lamberg zu sehen ist. Private Telefone waren vor dem Zweiten Weltkrieg auf dem Lande noch selten und so musste für die Kommunikation der Postweg benutzt werden. Ansichtskarten sind deshalb in zweifacher Hinsicht interessant, denn sie geben mit dem Text auf der Rückseite auch einen Einblick in die Zeit ihres Einsatzes, wie Folgendem zu entnehmen ist: „Liebe Ilse, herzlichen Dank für Deine Karte. Wenn es Dir recht ist, komme ich am Mittwoch. Ich fahre hier gleich nach dem Mittagessen weg, damit ich noch bei Tageslicht heimfahren kann. Ich komme selbstverständlich mit dem Rad. Alles weitere mündlich. Sei nun mit Deinen Eltern herzlich gegrüßt von Annerl“.Die Karte ist mit einer Sechs-Pfennig-Briefmarke frankiert, darauf das Porträt des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg. Vor Jahrzehnten war es üblich, dass fast jeder Krämerladen seine eigene Ansichtskarte vertrieb. Auf dem beschriebenen Exemplar war es das Geschäft Jacob Herrnberger.