Gib den Pferden Suppe!
Chamerau. Am Herd köchelt Suppe, kräftiges Orange. Sieht lecker aus, „schmeckt aber nach nicht viel“, meint Julia Hönig und rührt um. „Das sind nur Karotten und Wasser.“ Zwei Stunden gekocht und püriert. Ohne Gewürz. Salz und Pfeffer brauchen die Bekochten auch gar nicht, ebenso wenig Tischmanieren. Die drei, denen sie besagte Möhrensuppe serviert, heißen Amigo, Prefiado und Felix. Sie schlabbern unbedarft ihre Schüsseln leer, schmatzen, schlucken, lecken sich das Maul. Und könnten noch mehr vertragen, wie ihre Blicke verraten.
Mit Nachschub aber geizt die 29-Jährige. Der Ernährungsplan für ihre beiden Pferde und das Pony will wohl durchdacht sein. Nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig soll es sein, also wiegt sie täglich die Futtermenge ab und gleicht sie mit den Tagesaktivitäten ab. Beim Arbeiten gibt es auch mehr. „Das ist Gefühlssache.“ Ein Überschuss kann langwierige Folgen, wie eine Stoffwechselerkrankung, nach sich ziehen. Das weiß Hönig nicht nur als Pferdehalterin, sondern, weil sie eine Ausbildung zur Tierheilpraktikerin mit der Zusatzausbildung Ernährungscoach und -therapeutin hat.
Damit körperlich und seelisch alles im Lot ist
Seit vergangenem Herbst betreibt die gelernte Betriebswirtin nebenbei ihre mobile Praxis „Julias Pferdeharmonie“.Mobil deswegen, weil es für die Vierbeiner stressfreier ist, wenn es keine Hängerfahrt braucht und die Untersuchung in vertrauter Umgebung stattfinden kann. Nichtnur das körperliche, auch das seelische Wohlbefinden der Vierbeiner liegt der Heilpraktikerin am Herzen. Deswegen umfasst ihr Angebot neben Diätetik, Akupunktur, Phyto- und Blutegeltherapie unter anderem auch Bachblütentherapie. Letztere kann zum Beispiel bei einem Unfalltrauma weiterhelfen.
Hönig liebt Pferde, ihre Anmut, die Kraft, die in ihnen steckt. Auch ihre Mutter hat Pferde, ihre Urgroßmutter arbeitete auf einem Pferdegestüt. Zum sechsten Geburtstag gab’s erste Reitstunden. Heute ist die gebürtige Lamerin täglich um Viertel nach 5 im Stall, abends macht sie als Letzte das Licht aus. Vor fünf Jahren bekam Hönig mit dem damals 20-jährigen Amigo, einem Criollo-Mestizo, ihr erstes eigenes Pferd. „Da hab ich erstmal alles hinterfragt, mich eingelesen und angefangen, mit ihm zu trainieren“, erzählt sie. Dabei war Ernährung ein wichtiges Thema. Hönig, die schon länger überlegt hatte, beruflich ihrem Hobby näher zu kommen, packte es an. „Mach es einfach“, hatte ihr Freund sie ermutigt. Weil die Ausbildung in der Paracelsus- Heilpraktikerschule in Regensburg auch finanziell zu stemmen war, fing sie 2018 damit an. Parallel zum Vollzeitjob besuchte sie samstags und sonntags die Schule und machte abends noch Praktikum in der Tierheilpraxis von Andrea Frank-Mühlbauer in Furth im Wald.
Zeitgleich lief noch ein weiteres Projekt: Daheim in Chamerau stand der Umbau des Stalles an. Die alte Hofstelle hat Zuwachs bekommen: Zu Amigo gesellte sich vor zwei Jahren der junge, schmächtige Prefiado, ein Criollo Definitivo, den sie vom Schlachthändler geholt hat.
Drei Mitbewohner: Amigo, Prefiado und Felix
„Sein Blutbild war eine Katastrophe.“ Das bestätigten auch Frank- Mühlbauer und die Dozenten der Schule. Die Nierenwerte waren schlecht, außerdem hatte er Eisenmangel. Fortan stand Basisernährung auf dem Plan, außerdem viel Zeit. „Das Pferd muss erst zur Ruhe kommen.“ Immer wieder prüft Hönig das Blutbild und entnimmt Kotproben. Seit Herbst macht sie mit ihm Bodenarbeit.
Der Dritte im Bunde ist Shetlandpony Felix. Der Vierjährige lebt seit September auf dem Hof, davor ist er offenbar viel umgezogen. „Hier darf er bleiben“, betont Hönig. Blut- und Kotuntersuchung ergaben Dysbakterie, eine gestörte Darmflora. Hönig versucht, die Toxine rauszubringen – auch hier soll unter anderem die Basisernährung helfen.
Patienten mit Koliken und Verdauungsbeschwerden
Tierheilpraktiker mit Fokus auf Ernährung gibt es nicht so viele. In der Abschlussklasse THP Allgemein saßen sie zu dritt, erinnert sich Hönig. „Die Nachfrage ist da“, merkt sie, „nur kommen die Leute meist, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist.“
Bei Koliken und Verdauungsbeschwerden zum Beispiel. Nach einem ersten Telefonat kommt die Heilpraktikerin dann zum Ortsbesuch, vermisst das Pferd und macht eine Erstanamnese.
Zwei Stunden kann das schon dauern, denn sie macht sich dabei auch ein Bild vom Pferd. Was beschäftigt das Tier? Die Kotproben schickt sie ans Vetscreen-Labor, das untersucht zum Beispiel auf Keimbelastung, Dysbakterie oder Gasbildung. Und immer wieder gibt Hönig den Tipp: auf Basisernährung umstellen. Gerade in den Fertigmischungen befinde sich manches, das nicht ins Pferd gehört.
Bei sich und der Katze ist sie weniger streng
Und die Suppe? Auch die empfiehlt Hönig gerne und stößt damit auf Interesse. Sie hilft bei Darmproblemen, etwa bei Flüssigkeitsverlust. Hönig hat das Rezept aus einem ihrer vielen Fachbücher. In der Regel füttert man die Suppe kurmäßig ein bis zwei Wochen lang, ihre eigenen Pferde und das Pony bekommen sie aber regelmäßig präventiv aufgetischt. Manchmal darf Hönigs Labrador Arkon auch die Suppenreste aus der Schüssel schlecken.
Nur Katze Amica schmeckt sie nicht – für sie wiegt Hönig, anders als bei Pferden, Pony und Hund, auch kein Futter ab. „Die hat ein Lotterleben“, kommentiert Hönig. Wobei: Bei sich selbst schaut die Tierheilpraktikerin auch nicht so genau auf den Teller. „Da ist man ja oft nicht ganz so streng“, meint sie mit einem Augenzwinkern.