Leben und Tod annodazumal
Chamerau. Der November gilt landläufig als Totenmonat. Allerheiligen, Allerseelen, Totensonntag und Volkstrauertag mahnen die Lebenden und holen die Verstorbenen ins Gedächtnis zurück. Jährliche Gedenktage an die Verstorbenen gibt es in der Westkirche bereits seit dem Mittelalter. Noch Papst Johannes XXIII. hat von Ostern als dem "Fest aller Toten" gesprochen. Seit dem 9. Jahrhundert gedenken die Christen ihrer Verstorbenen am 2. November, dem Tag nach Allerheiligen.
Vor einigen Generationen waren das Aufbahren, die Totenwache und das Begräbnis noch ganz anders als heute. So hörte man früher oft den Satz "Der ist übers Brettl g'rutscht". In früheren Zeiten bahrten die Angehörigen ihre Toten für zwei Tage auf schlichten Fichtenbrettern auf und beteten für sie; dazu kamen die engsten Verwandten und Nachbarn ins Trauerhaus zum sogenannten Aufbleiben, das in der Regel nach der Stallarbeit begann. Die Besucher besprengten den Entschlafenen mit Weihwasser und beteten den schmerzhaften Rosenkranz und viele Vaterunser für den Aufgebahrten. Fehlen durften dabei keinesfalls die "Vorbeter", zwei bis drei Männer, die mit einer Art Sprechgesang mehrstimmig den Rosenkranz vorbeteten. Danach wickelte man den Leichnam in ein Leintuch, brachte ihn auf dem Brett am Tag der Beerdigung zum Grab und kippte den Leichnam hinein. Daher rührt der Spruch "Der ist übers Brett gerutscht". Man legte das Brett über den Leichnam, um ihn vor Verletzungen beim Einschaufeln zu schützen.
"Übers Brettl rutschen"
Um den Ausdruck "Übers Brettl rutschen" zu erklären, muss man einige Jahre zurückblicken. Erst um die 1800 wurden auf dem Land Särge bei Beerdigungen eingeführt. Längst gab es keinen Sarg für jeden Toten, sondern sogenannte Ausschütttruhen - Särge, die im Eigentum der Kirche standen und für alle Bestattungen leihweise überlassen wurden. Anfangs legte man das Brett mit ins Grab. Später lagerte man es so, dass es möglichst schnell verfaulte. Nach dem Volksglauben des 18. Jahrhunderts findet die Seele des Toten erst dann Ruhe, wenn das Holz zerfallen ist. Ab Ende des 19. Jahrhunderts ließen die Angehörigen die bemalten, geschnitzten und beschrifteten Totenbretter immer wieder ersetzen. So sind sie heute eine Erinnerung an Verstorbene.
Später, als jeder Tote einen eigenen Sarg hatte, wurde das Totenbrett bei der Beerdigung überflüssig. Was sollte man damit anfangen? Heilige Scheu verbot, das Brett noch für irgendwelche häusliche Zwecke zu nutzen. So kam man auf den Gedanken, das Totenbrett als Andenken aufzustellen. An einem Weg, meist Kirchweg, an einem Baum oder an Kapellen stellte man es auf.
Die Veränderung sind aber auch in anderen Bereichen sichtbar, so bei der Gestaltung der Todesanzeige und des Sterbebildes sowie beim Ablauf und der Form der Beerdigung. Konnte früher eine "Leich" mit vielen Trauergästen nicht pompös genug sein - eine bessere Beerdigung kostete im 19. Jahrhundert ungefähr so viel wie zwei stattliche Ochsen - wird heute oftmals in aller Stille und im engsten Familienkreis Abschied genommen.
Gedenken an Verstorbene
Allerheiligen und Allerseelen sind eng miteinander verschmolzen. An Allerheiligen gedenkt die katholische Kirche aller Heiligen. Dabei sind nicht nur jene Menschen gemeint, die offiziell heiliggesprochen sind, sondern auch die Heiligen, "um deren Heiligkeit niemand weiß, außer Gott". Durch den traditionellen Gräbergang ist Allerheiligen eher ein trauriger Festtag.
An Allerseelen wird der Verstorbenen gedacht. Traditionellerweise ist das Gedenken an die Dahingeschiedenen jedoch mit dem 1. November verbunden. Beim Gräbergang mit dem Priester eint sich die Gemeinschaft der Menschen in der Erinnerung an die Verstorbenen.