Mahnmal erinnert an einen Mord

17. Oktober 2024: Im September 1901 wird der Bauer Michael Brey von Staning bei Haderstadl erstochen. Heute erinnert noch ein Wegkreuz an die Tat, die nie aufgeklärt worden ist
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„Wo is na des Kreiz? War’s doch die andere Einfahrt ...“ Kreisheimatpfleger Hans Wrba befiehlt seiner Begleitung, stehenzubleiben, und kämpft sich tapfer voran durch Brombeergestrüpp und Brennnesseln. Aus dem Dickicht dringt ein erleichtertes Ausrufen: „Es war doch die andere Einfahrt.“ Zehn Meter weiter. Hans Wrba ist erleichtert. Gleich neben dem alten Fußweg durch den Wald nach Cham steht das schlichte Kreuz, das an einen Mord erinnert.

Ein Bauer „von echtem Schrot und Korn“Es war der 15. September 1901, 5.30 Uhr morgens. Der „Oekonom Mich Brey von Stanning“, so berichten es die Zeitungen wenige Tage später, ist auf dem Heimweg. Dort, an der Stelle, wo jetzt das Kreuz am Wegesrand mahnt, wird er erstochen. Den Leichnam finden später Passanten. Der ermordete Brey ist ein „Mann von echtem Schrot und Korn, dem es zu gönnen gewesen wäre, nach harter Arbeit noch einige Jahr der Ruhe zu genießen, der aber schnöden Mammons wegen sein Leben lassen mußte“, schreiben die Zeitungen. Brey hat Vieh verkauft auf dem Markt, aber Geld führte er keines mit sich.

„Das hat er den Quellen zufolge seiner Tochter mit auf den Weg gegeben“, erzählt Wrba. Die hatte sich an besagtem Tag schon früher auf den Weg nach Hause gemacht, und zwar mit dem Zug nach Chamerau und von dort zu Fuß nach Hause. Geld hat der Täter also keines erbeutet, seiner gerechten Strafe ist er aber ebenso wenig zugeführt worden. „Die Tat ist nie aufgeklärt worden“, hat Wrba die weiteren Ermittlungen nachgeforscht. „Es gab mal einen Knecht Breys, aber dem konnte man nie etwas nachweisen.“ Vielleicht auch, weil die Kriminaltechnik der damaligen Zeit noch nicht so weit war.

Zwar kannte man schon das Verfahren, Fingerabdrücke zu nehmen, 1897 hat Scotland Yard den ersten Verbrecher anhand seiner Fingerabdrücke überführt. Aber in Deutschland wird die sogenannte Daktyloskopie erst 1903 in Dresden eingeführt.

Undenkbar für heutige Zeiten wäre auch der Umstand, dass nur zwei Tage nach der Tat ein großer Leichenzug mit 600 Personen dorthin pilgert, um dem Getöteten die letzte Ehre zu erweisen. Man kann nur hoffen, dass die Kriminaler da alle Spuren schon gesichert hatten. Über den Zug, der sich formierte, berichten die Gazetten wiederum sehr gern und ausführlich: „Besonders tief ergreifend war der Moment, als der Trauerzug die Stelle passirte, wo die ruchlose That verübt wurde, dortselbst kommandierte der Feuerwehrkommandant ,Halt‘ und die ganze Trauerversammlung betete je ein Vaterunser für den Verblichenen sowie für den Thäter.“Die Leute reisen von weit her an, um zu kondolieren.

Im Trauerzug gingen nicht nur Feuerwehrleute und der Großteil der Dörfer Staning und Haderstadl mit, sondern auch etliche, die bis zum Ort des Geschehens zwei bis drei Stunden Fußmarsch auf sich nehmen mussten. Das deutete der Zeitungsschreiber erneut als großartiges Zeichen für die Beliebtheit des Verstorbenen: „Als Feldzugssoldat von 1870/71 hatte Brey mit seinen ehemaligen Kriegskameraden der Umgebung stets gute Fühlung behalten, weshalb es nicht zu verwundern ist, daß ihm solche, die 2 bis 3 Stunden von seiner Heimath entfernt wohnen, das Geleite zu seiner letzten Ruhestätte gaben. Veteranen- und Kriegerverein Chamerau, die freiwilligen Feuerwehren Chamerau und Haderstadl, deren Mitglied der Verlebte war, sowie der Veteranen- und Kriegerverein Chammünster, sämmtliche mit Fahne, waren im Leichenzuge vertreten.“

Hat es schon mehrere Überfälle gegeben?

Wie sehr der Mord die Bevölkerung aufgewühlt haben muss, lässt sich auch der weiteren Berichterstattung entnehmen. Die Leute redeten und es rumorte. „Es werden Stimmen laut, denen zufolge schon seit geraumer Zeit in der Nähe der Stelle des Verbrechens Ueberfälle an Passanten verübt wurden; nur wurde der Attentäter jedesmal an der Ausführung seines Vorhabens durch glückliche Zwischenfälle verhindert. Wahrscheinlich hat man es mit ein und derselben Persönlichkeit zu thun.“Nachdem sich nun aber keiner fand, der des Mordes angeklagt und verurteilt werden konnte, mieden die Dörfler die Stätte. Vor allem zur Allerseelenzeit. Und heute? Heute kennen den Ursprung des Kreuzes wahrscheinlich die meisten Wanderer nicht mehr, die auf dem alten Gangsteig von Cham heraufschnaufen. Und auch das Kreuz des Michael Brey hat schon bessere Zeiten erlebt, wie der Rost auf dem Corpus Christi und der Maria bezeugen.

Leider haben wir keinen Alternativtext zu diesem Bild, aber wir arbeiten daran.
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