Ort der Erinnerung: Tafelbirka-Marterl
Chamerau. Irgendwo stehen sie, die wuchtigen Granitsäulen oder Kreuze, rund oder kantig und mit einer kurzen Inschrift. Man begegnet ihnen an einem Feldrand oder Weg, oft umgeben mit blühenden Blumen oder auch schmucklos, aber meistens mit einem schmiedeeisernen Kreuz versehen. Es sind religiöse Symbole einer im Glauben verwurzelten Lebenseinstellung für etwas Tiefgreifendes, das sich im eigenen Leben ereignet hat. Im Allgemeinen wird damit an einen lieben Menschen erinnert, der irgendwann gestorben ist und an den man sich noch lange erinnern möchte.
Aus Trauer oder aus Dank
Besonders unsere Vorfahren haben dies so zum Ausdruck gebracht, wie all diese steinernen Denkmäler aus dieser Zeit bezeugen können. Doch nicht nur aus Trauer, sondern auch aus Dankbarkeit und Freude wurden damals solche Denkmäler errichtet.
Dies war vor allem in den Jahren nach dem 2. Weltkrieg der Fall, als Soldaten heil aus dem Krieg oder Gefangenschaft zurückkehrten. Zu dieser Zeit dachte man auch an den Herrgott, dem man besonderen Dank sagen wollte für dieses große Glück. Dieser Dank wurde oftmals in Form eines Feldkreuzes zum Ausdruck gebracht, wie beim Taferlbirka-Marterl in Chamerau.
Auf dem früheren Gangsteig zwischen der Bachstraße und der Ortschaft Gillisberg, einem ehemaligen Kirchweg, steht das Taferlbirka- Marterl schon seit undenklichen Zeiten. Eine Statue, „Christus auf der Rast“ unter einem kleinen Dächlein bergend, heute in Gesellschaft eines Feldkreuzes, das die Jahreszahl 1863 und die Initialen J. W. trägt.
Marterl im neuem Glanz
Altersschwach waren sie beide geworden, und ihre Zukunft war nicht gesichert, weil der Zahn der Zeit auch an ihnen genagt hatte, sie nicht mehr standfest waren und der Rost am Metall des Kreuzes Wirkung zeigte.
Karl Riederer, der 2006 gestorben ist, war der erste Siedler in der OberenBachstraße. Er mochte sie beide, das Marterl und die Statue, in ihrer Versehrtheit nicht mehr sehen und entschloss sich 1995, im Alleingang etwas für deren Erhalt zu tun. Erst galt Riederers Sorge dem Marterl und der Restaurierung der Statue, später auch dem Kreuz, das vom Rost befreit und wieder ausgerichtet wurde. Und als dies alles unter Mithilfe des Malermeisters Max Haimerl und des Wagnermeisters Xaver Bock, die sich bei diesem Geschäft wahrlich keine goldene Nase verdient haben - schon gar nicht der Initiator selbst-, fertig war, dachte Letzterer noch daran, dass es schön wäre, wenn die beiden Weg Begleiter von einer kleinen Anlage eingerahmt würden.
Gesagt, getan: Die Anlage entstand. Weil der vielfach aktive Bachstraßenbürger für Exaktheit und Vollständigkeit bekannt war, sorgte er zusätzlich noch für die Pflanzung einer Hängebirke und machte damit, auch sichtbar, wieder den Namen des Flurheiligtums komplett. Über die Entstehungsgeschichte des Marterls ist am wenigsten bekannt. Fest steht, dass es nach Berichten schon verstorbener Leute, bereits vor dem Feldkreuz an dieser Stelle stand. Auf ein hohes Alter könnte auch die Statue „Christus auf (oder in) der Rast“ hinweisen. Nach bekundeter Überlieferung befand sich eine solche auch in der alten Staninger Kapelle.
Sagenumrankte Denkmäler
Wie um viele Dinge aus früherer Zeit rankt sich auch um das Feldkreuz eine Sage. Ein des Nachts am Marterl vorbeikommender Bauer soll plötzlich an der Stelle von einer Unzahl leuchtender Käfer überfallen worden sein, die ihn regelrecht zu Boden drückten. Schnell streifte er sie von Kopf und Rücken ab und sammelte sie in einem Beutel ein. Nicht eher wollte er sie freilassen, bis der Mist, der auf einer angrenzenden Wiese noch in Haufen lag, „gebreitet“ wäre. Als der Bauer am nächsten Tag seine Wiese betrat, um zur geplanten Arbeit anzutreten, war sie bereits getan. Aus Anlass des wundersamen Geschehens soll er dann das Kreuz gesetzt haben.
Geschichte und Sage, beide sind, wenn auch der jüngeren Generation nur noch teilweise geläufig, erhalten geblieben. Für den Erhalt des Taferlbirka-Marterls und des Feldkreuzes hat Karl Riederer gesorgt, ohne dazu verpflichtet gewesen oder bezahlt worden zu sein. Ein paar Idealisten standen ihm handwerklich zur Seite und halfen, die allein von ihm getragenen Kosten zu mindern. Hin und wieder fand sich auch ein Spender, dem der Erhalt ebenfalls ein Anliegen war. Der Erhalt beider Feldzeichen war nach der Restaurierung bis heute gesichert. Es sind zwei Zeugen tiefer Volksfrömmigkeit, deren Geschichte generationenweit zurückgreift und die uns oft nur noch in Zeichen erhalten geblieben ist.