Zeitreisen in das Mittelalter waren ein voller Erfolg
Chamerau
Die Mühen der langen Vorbereitung belohnten sich, denn die zwei Sagenwanderungen am Wochenende waren erfreulich. Teilnehmer jeden Alters kamen und bereuten ihr Kommen nicht. Sie erlebten eine Zeitreise in die Vergangenheit, unterhaltsam und lehrreich. Die Teilnehmer versammelten sich am Kriegerdenkmal in Chamerau erwartungsvoll. Die spannendste Art, etwas über die Menschen einer Region zu erfahren, ist, in ihre Sagenwelt einzutauchen. In Chamerau sind es besondere Stein- und Felsformationen, aber auch die dunkle Geschichte des „Schloßbugl“, die die Fantasie der Menschen beflügelten.
Die Ritter von Chamerau
Die Sagenwanderung startete mit Nachtwächter Albrecht Wächter, Erzählerin Appolonia Engelwurz und Ritter Ferdinand von Chamerau. Die Ritter von Chamerau waren vom 11. bis zum 15. Jahrhundert die reichsten und angesehensten Adelsgeschlechter im Oberen Bayerischen Wald. Im Jahr 1019 wird das breit gefächerte Geschlecht der Chamerauer erstmals in den Turnierbüchern erwähnt. Als ihren Stammsitz betrachten sie die ehemalige Burg Chamerau. Im 14. Jahrhundert begann die Blütezeit der Chamerauer Ritter, die hohe Regierungsämter innehatten und mit dem Ehrentitel „Landesherren des Bayerischen Waldes“ geehrt wurden. Um 1550 ging das Geschlecht der Chamerauer in die Verarmung und starb in der männlichen Linie aus. Dass aber nicht alles zur damaligen Zeit schön war, das erzählte Appolonia Engelwurz den Zuhörern auf dem „Schloßbugl“. Der Ritter hat alles verspielt und versoffen. Die Leute wurden ausgebeutet und betrogen. Der Ritter in seiner schweren Rüstung begrüßte ebenfalls die Gäste.
Zwei Riesen bauen Burg
Die Teilnehmer erfuhren im gemeindlichen Park am Wasserrad, dass es in Chamerau vor langer Zeit angeblich zwei Riesen gegeben hat. Von den zwei Riesen hat jeder eine Burg gebaut, der eine am Haidstein, der andere am Lamberg. Weil sie aber nur einen Satz Werkzeug gehabt haben, wurde dieses immer hin und her geworfen, bis sie eines Tages zu streiten anfingen und mit den Werkzeugen aufeinander warfen. Am Schluss ist der Hammer liegengeblieben und hat eine riesige Mulde in den Boden gemacht, die man heute noch sehen kann, wenn man nach Lederdorn fährt.
Ferdinand, Schrecken der Bayern
Weiter ging es am schönen Regenufer nach Roßbach, wo eine Mühle gestanden ist. Zur selben Zeit hauste auf der Burg in Chamerau dort der Ritter Ferdinand, er war weithin der Schrecken im Bayerland. Doch liebte der Ritter nicht bloß das Gold, er war auch den lieblichen Dirnen hold. Ritter Ferdinand hatte sein Auge auf die schöne Tochter des Müllers geworfen, fand aber bei der sittsamen Maid kein Gehör. Eines Tages überraschte er die Jungfrau auf der Wiese ihres Vaters, wo sie das Leinen bleichte. Stracks fasste er den Entschluss, mit Gewalt zu nehmen, was er anders nicht bekam. Das Mädchen suchte sich durch die Flucht zu retten. Mit dem Ruf: „Gott, Gnade meiner Seele!“ stürzte sich die Jungfrau in die Fluten. Mit einem Male aber war alles still, und als die Jungfrau sich umwendete, sah sie weder Ritter noch Knappen, wohl aber eine lange Reihe ungestalter Felsblöcke im Fluss. Die Hand Gottes hatte strafend den Wüstling und seine Helfershelfer erreicht.
Auf dem Rückmarsch zur Pfarrkirche erschallt plötzlich ein Kanonenschuss. Appolonia sagte zu den Besuchern: „Das ist bestimmt ein Warnschuss, wir müssen wieder ins Dorf zurück. Unsere Kanone wurde 1955 in Pocking gekauft. Sie wird als Salutkanone verwendet“.
Nachtwächter Albrecht Wächter erklärte den Sagenteilnehmern die Pfarrkirche.
Die Pfarrkirche Peter und Paul
Nachtwächter Albrecht Wächter erklärte den Sagenteilnehmern die Pfarrkirche, die Petrus und Paulus geweiht ist, die zwei sind vorn am Hauptaltar zu sehen. Daneben sind die Eltern von Maria, der Heilige Joachim und die Heilige Anna, zu sehen. Appolonia sprach dazwischen: Schauts, das ist die Statue von der Heiligen Barbara. „Man wird es fast nicht glauben, aber das ist wirklich passiert; vor ein paar Jahren ist im Dorf eine Frau gestorben, die hat Barbara geheißen; wie der Totenrosenkranz in da Kirche gebetet worden ist, ist der Heiligen Barbara der Kelch aus der Hand gefallen. Bestimmt hat die tote Frau nur sagen wollen, dass sie gerade im Himmel angekommen ist“.
In Richtung Schulhaus, in der Nähe des Schulgartens, flitzten die listigen Schrazln umher. In der Sagenwanderung legen sich diese mit der Sagenerzählerin Apollonia an.
Auf dem Weg zur Stoaklammer kommt der Gruppe ein betrunkener Mann entgegen, mit den Worten: Leute, geht’s nicht weiter. Habt ihr einen Schnaps oder ein Bier getrunken? dann geht’s besser nicht weiter, sonst geht’s euch wie mir gestern Nacht. Stellts euch vor, ich geh’ gestern vom Bäckerwirt heim, na ja, so drei, vier Maß Bier habe ich schon getrunken und dann ging ich da hinten noch einige Meter weiter und dachte mir nichts Schlimmes. Mittendrin kommt da eine Furie daher, lange weiße Haare und ein wehendes Gewand hat sie getragen; mir ist gleich ganz anders geworden. Sie packt mich und zog mich ins Wasser und bürstet mir meinen Kopf mit einer Wurzelbürste, bis ich wieder halbwegs nüchtern war. Die Bürste habe ich ihr dann aus der Hand gerissen und bin weggerannt. Nachgerufen hat sie mir noch, du besoffener Hallodri, wehe, du kommst nochmals so blau daher, dann tauche ich dich ins Wasser, bis dir das Saufen vergeht und lachte so grauenhaft, dass mir alle Haare zu Berge standen.
Appolonia: Grad recht geschieht es dir, du Saufbruada du greislicher. Der Wächter: jetzt rede doch keinen Unsinn, als wenn es Gespenster geb’n würde. Der betrunkene Mann geht mit der Gruppe mit. Plötzlich steigt Rauch am Ufer auf und es ertönt eine fürchterliche Stimme: „A Schüssel voll Blut, a Schüssel voll Darm. Huaaaahhhhh, wo sind sie denn, die besoffenen Männer, denen zeige ich, was passiert, wenn man sein ganzes Geld versäuft. Huuuhhh, Huuhhhh, a Schüssel voll Blut, a Schüssel voll Darm.
Die neunte und letzte Station der Sagenwanderung spielte sich im Pfarrhof ab, hier wussten Nachtwächter Albrecht und Erzählerin Apollonia viel über den Pfarrhof und seine Geschichte, die bis zu seiner Erbauung ins Jahr 1633 zurückgeht, zu erzählen.
Regisseurin Petra Oswald war bei den Aufführungen voll des Lobes über die gelungenen Sagenwanderungen und dankte allen Beteiligten für die Darstellung der einzelnen Szenen. Abschließend lud die Theatergruppe alle zum Trank ein. Alle, die in diesem Jahr keine Karten für die Sagenwanderung ergattern konnten, dürfen sich freuen: Die Sagenwanderungen werden im nächsten Jahr fortgesetzt.
Die Mitwirkenden
Sagenerzählerin Appolonia (Ingrid Fersch), Nachtwächter Albrecht Wächter (Thomas Heigl), Ritter Ferdinand (Fabian Althammer), Knappe (Leonhard Breu), Müllerstochter (Nina Weindl), zwei Riesen (Andreas Kraus und Christian Schichtl) am Freitag, am Samstag (Andreas Kraus und Roman Karl), da Bsuffa Mann (Alexander Tannert), die lange Agnes (Christina Purschke) am Freitag, am Samstag (Daniela Kirsch), Erzählerin (Uta Tannert), Helferinnen (Andrea Tannert, Marion Purschke und Silke Kraus).Die acht listigen Schrazln (Franziska Althammer, Jolande Bauer, Korbinian Baumgartner, Antonia Bergmann, Valentin Breu, Leonhard Breuer, Ludwig Heidel und Paula Kraus). Die Regie lag wie immer in den Händen von Petra Oswald.